Die Lipizzanerzucht: nationales, immaterielles Kulturerbe
Mit der Lipizzanerzucht in Piber sichern wir nicht nur den Fortbestand der Lipizzanerhengste der Spanischen Hofreitschule sondern tragen auch zum Erhalt der ältesten Kulturpferderasse Europas bei. Im Jahr 2016 wurde diese verantwortungsvolle Aufgabe schließlich seitens der UNESCO auch zum nationalen, immateriellen Kulturerbe ernannt.
Die heutige Lipizzanerzucht des Gestüts in Piber geht auf die bereits im 18. Jahrhundert existenten sechs Hengststämme und 17 klassischen Stutenfamilien der Lipizzaner zurück.
Damals waren die "Lipizzaner" noch kunterbunt: Braune, Füchse, Falben, Isabellen, Platten, Tigerschecken oder Rappen - aber kein einziger war damals weiß. Die weiße Farbe, die Schimmelfarbe, setzte sich erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts / im 19. Jahrhundert durch und blieb bis heute erhalten. Diese Farbe wurde aus Geschmacksgründen züchterisch bevorzugt. Zudem hat sich das weiße Haar des Arabers erbmäßig als dominant erwiesen, sodass heute nur noch in ganz seltenen Fällen das dunkle (v.a. braune) Haarkleid erhalten bleibt. Es gehört allerdings zur Tradition der Spansichen Hofreitschule Wien, dass immer mindestens ein brauner Lipizzaner in den Stallungen der Hofreitschule zu finden ist. Sie gelten als Glücksbringer.
Lipizzaner zeichnen sich durch einen vollendeten, edel geformten Körperbau, graziöse Bewegungen, Lerneifer, Lebhaftigkeit, Gutmütigkeit, Mut, Härte und Ausdauer aus. Der wohlgeformte Kopf des Lipizzaners kann fallweise eine Ramsnase aufweisen. Der Hals ist etwas höher aufgesetzt und wird edel getragen. Der kräftige, muskulöse Rücken läuft in einer sehr starken Kruppe aus. Das Erscheinungsbild entspricht dem des barocken Prunk- und Paradepferdes, wobei der Rahmen des Gebäudes eher einem Rechteck ähnlich ist. Der gut angesetzte Schweif ist dicht und von feinem Haar. Die Gliedmaßen trocken und profiliert, verfügen über reine Sprunggelenke und schön geformte Hufe.
Die Hengststämme
Weltweit gibt es 8 Hengststämme. Wir züchten mit 6 Hengstlinien:
Pluto (Schimmel), geboren 1765
rein spanischer Abstammung,
aus dem königlich–dänischen Hofgestüt Fredriksborg
Conversano (Rappe), geboren 1767
original Neapolitano
Neapolitano (Braun), geboren 1790
Neapolitano aus Polesina
Favory (Falbe), geboren 1779
aus dem Hofgestüt Kladrub
Maestoso (Schimmel), geboren 1773
aus dem Hofgestüt Kladrub
Siglavy (Schimmel), geboren 1810
original Araber, von Fürst Schwarzenberg
aus Arabien importiert
Die Stutfamilien
Im Lipizzanergestüt Piber wird mit allen 17 klassischen Stutenfamilien gezüchtet. Damit ist das Lipizzanergestüt Piber weltweit das einzige Gestüt, das über Stuten aus allen klassischen Lipizzaner Stutfamilien verfügt. Die Stammmütter dieser Stutfamilien wurden im 18. Jahrhundert geboren und bildeten die Basis des kaiserlichen Gestütes. Deren Nachkommen lassen sich lückenlos bis zur jeweiligen Familienbegründerin zurückverfolgen.
Sardinia Sardinia. Lipizza 1776
Spadiglia Spadiglia, Lipizza 1778
Argentina Argentina, Lipizza 1767
Africa Africa, Kladrub 1747
Almerina Almerina, Kladrub 1769
Presciana - Bradamente Presc./Bradm., Kladrub 1782/1777
Englanderia Englanderia, Kladrub 1773
Europa Europa, Kladrub 1774
Stornella - Fistula Fistula, Koptschan 1771
Ivanka - Famosa Ivanka, Koptschan 1754
Deflorata Deflorata, Fredriksborg 1767
Capriola Capriola, Kladrub 1785
Rava Rava, Kladrub 1755
Gidrane Gidrane, 1841
Djebrin Generale Junior, Babolna 1824
Mercurio Freies Gestüt, Radautz 1806
Theodorosta Theodorosta, Bukovina 1870
Die Kennzeichen eines Lipizzaners
Stockmaß
153 bis 158 cm
Aussehen
edel, mit noblem Ausdruck und rechteckigem bis quadratischem Rahmen
Kopf
leichter Ramskopf oder leicht arabisierter Kopf mit konvexer Nasenlinie, kräftigen Ganaschen und großen, schwarzen Augen
Wirkung
mittelgroß, athletisch, elegant
Körperbau
muskulöse Hinterhand, schräge Fesselung, mittelanger und kräftiger Rücken
Bewegungen
graziös, federnder Gang, hohe Knieaktion
Fellkleid
mehr als 90% Schimmel
Interieur
ausdauernd, genügsam, temperamentvoll, hart, hochsensibel, intelligent, menschenbezogen, kontaktfreudig, gutmütig, gehorsam, gelehrig und leistungsbereit
Entwicklung
spätreif, überdurchschnittlich langlebig, bis ins hohe Alter zur Zucht und Arbeit unter dem Sattel geeignet